Gut, die erste Erfahrung mit einem Nachtzug verlief so semi-optimal. Jetzt hatte ich mir außerdem noch eine Erkältung eingefangen und von Nha Trang nicht viel gesehen. Entsprechend war die Stimmung nicht unbedingt auf dem Höhepunkt… Als wir uns dann für die Weiterfahrt versammelten, hatte unser Tourguide keine guten Nachrichten.
In wenigen Tagen feiern die Vietnamesen das Neujahrsfest Tet, welches sich nach dem chinesischen Mondkalender richtet und in dem Jahr Mitte Februar war. Darum fuhr im Grunde der ganze Süden in den Norden, da viele Menschen dort ihre Familien besuchen. Also genau unsere Route. Die Zuggesellschaft will dann so viele Menschen wie möglich transportieren und verkauft für einen Nachtzug mehr Tickets, als es Plätze gibt. In einer 6-Bett-Kabine werden die oberen 4 Betten regulär gebucht. Aus den zwei unteren Betten werden jedoch kurzerhand 3 Sitzplätze pro Seite. Wobei man dort kaum aufrecht sitzen kann. Auf vielleicht 5m² müssen dann 10 Leute Platz finden. Und das für mehr als 10 Stunden! Mit der Terrorklimaanlage! Bei geschlossenen Fenstern und Türen!
Was für eine Vorstellung. Aber das reichte unserem Guide noch nicht.
Gut, keiner musste auf solch eine untere Bank. Aber es gab nicht für alle von uns ein Bett in einer der Sardinenbüchsen. 3 von uns bekamen in dem Nachtzug nur einen Sitzplatz in einem anderen Waggon. Hhhmmm, zu zehnt in einer Kabine eingeschlossen, in der ich eh nicht schlafen kann? Oder wenigstens einen eigenen Sitz in einem offenen Abteil und das Gefühl von etwas mehr Raum um mich rum??? Ok, meine Hand ging nach oben und ich „opferte“ mich. Zumindest wurde uns ein „Softseat“ versprochen und damit eine Holzbank erspart.
Auf dem Gleis angekommen, teilte uns unser Guide Bao auf. Zusammen mit meinen beiden Leidensgenossen wartete ich vorn am Zug. Bao brachte in der Zeit den Rest der Gruppe zu deren Waggons ganz am anderen Ende. Da sie dort auch auf diverse Kabinen verteilt waren, dauerte es ein wenig, bis jeder sein Bett hatte. Nun, es dauerte ewig. Wir standen da also zu dritt in dem bunten Treiben und machten uns darüber witzig, dass wir einfach abhauen und ganz entspannt im Taxi hinterher fahren könnten.
„Sollen sich doch die anderen in den Nachtzug quetschen!“
Wir wurden noch aufgeputscht, als wir 5 Minuten später immer noch vorm Nachtzug standen und scheinbar nicht mal die Hälfte unserer Gruppe den richtigen Platz gefunden hatte. „Haha, kommt schnell, es guckt gerade keiner…wir verschwinden…lasst uns erst noch lecker essen gehen und dann fahren wir ganz gemütlich nach Hoi An!“
Unser Gelächter wurde dann aber abrupt beendet, als die Zugmitarbeiter anfingen, die Türen zu schließen. Oh oh, Bao war nirgends zu sehen. Keiner unserer Gruppe war mehr zu sehen. Hmm, und wir standen dort, ohne Tickets, ohne ein Wort Vietnamesisch zu können. Irgendwie fühlte sich das dann jetzt doch nicht mehr so nach Scherz an. „Die fahren wirklich gleich ohne uns“!

So sah ich den Zug schon an mir vorbei rauschen
Etwas panisch versuchten wir dann, einfach schon mal in den Nachtzug einzusteigen. Doch als uns die junge Schaffnerin abwies, weil wir kein Ticket hatten, rutschte mir kurz das Herz in die Hose.
„Wir bleiben hier tatsächlich zurück!“
Wir drei guckten uns nur rat- und vor allem hilflos um. Doch in letzter Minute sprang unser Guide aus dem Zug, lief auf uns zu und schrie uns schon die Nummer unseres Waggons entgegen. Warum man tatsächlich nur in den gebuchten Waggon einsteigen durfte, versteh ich bis heute nicht. Wir rannten also, wie die Packesel mit tausend Sachen bepackt, im Affenzahn (wahrscheinlich waren es so 7 km/h mit Rückenwind) und sprangen gerade noch so in den gefühlt schon fahrenden Zug. Bei der Hektik hatte Bao sein Gepäck einfach auf dem Bahnhof stehen lassen. 3 verlorene Reisende lassen sich bei dem Veranstalter wohl nicht so gut erklären… Aber ein Schaffner hatte unseren Zirkus scheinbar mitbekommen und seinen Koffer zum Glück mitgenommen. Da hätte es in Deutschland nur Panik und einen gesperrten Bahnhof gegeben.
Das ich mich so freuen würde, in diesen Nachtzug zu kommen, hätte ich vorher auch nicht gedacht. Da ahnte ich auch noch nicht, dass hinter mir eine junge Frau mit Baby sein würde. Kurzes Stoßgebet gen Himmel: Bitte schrei nicht so viel. Doch die kleine Verdauungsmaschine schlief ziemlich fest. Soweit so gut. Bis die Mama die Windeln wechselte, in denen definitiv mehr als Pipi war. Was ein Stechen in der Nase. Da tränten fast schon die Augen. Sie hätte sie mir auch direkt um die Ohren hauen können. Eine volle Windel wechseln ist bestimmt auch nicht Mama’s Lieblingsbeschäftigung. Aber wenn einem seit 2 Tagen schlecht ist und nicht mal Tee im Magen bleibt, fetzt das mal so gar nicht!
Der Sieger für die schlimmste Nacht des Trips stand fest! In dieser Nacht habe ich, wenn überhaupt, eine halbe Stunde geschlafen. Aber nach Nacht kommt Tag oder so… So war es zum Glück auch. Hoi An hat mich die Strapazen schnell vergessen lassen. Nach einem ausgiebigen Frühstück und kleinem Mittagsschlaf am Pool, war ich wieder fit!
Selten war ich so erleichtert, irgendwo anzukommen. Von wegen, „it’s about the journey, not the destination“.
Von wem dieser Spruch stammt, ist definitiv nicht im Nachtzug während Tet in Vietnam unterwegs gewesen!
Welche Erfahrungen hast Du mit Nachtzügen gesammelt?
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